Bernhard Kaster, Bernhard Kaster, Mitglied des Vorstands, Deutsch-Russisches Forum e.V., Bürgermeister a.D., MdB a.D. spricht im Interview über die AG 3 „Strategien für eine nachhaltige Entwicklung von Kommunen und Regionen“, Koordination: Deutsch-Russisches Forum e.V.
„Ein Austausch in beide Richtungen, das ist das Ziel!“
Sie engagieren sich bereits lange im Bereich der kommunalen Kooperationen, was hat sich über die Jahre verändert, was sind die heutigen Themen?
Die Städtepartnerschaften waren in den 90iger Jahren besonders stark geprägt von gegenseitigem Kultur- und Jugendaustausch und oft auch spezieller Hilfe, ob im sozialen oder technischen Bereich. Eine für beide Seiten erfreuliche Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte ist, dass sich heute die Partner bei den Themen und Herausforderungen auf Augenhöhe begegnen. Wir widmen uns einem intensiven Informationsaustausch zu kommunalen Themen, wir sprechen über die gesamte Daseinsvorsorge, die Abfallwirtschaft, über nachhaltige Stadtentwicklung, die Digitalisierung oder die Formen zeitgemäßer Bürgerbeteiligung. Wir können trotz unterschiedlicher Strukturen viel voneinander lernen und erfahren; ein Austausch in beide Richtungen, das ist das Ziel.
Die Konferenz findet alle zwei Jahre statt, was geschieht danach und dazwischen?
Im Kern kommt es immer auf das Engagement und die Pflege der Kontakte durch die Akteure vor Ort an. Die Konferenz ist da ein wichtiger Impulsgeber. Ein gelungenes neues Beispiel ist die Kooperation des Instituts für kommunale Entwicklung Krasnojarsk und der Kommunalakademie Rheinland-Pfalz, unterstützt vom Deutsch-Russischen Forum e.V. und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Im Juli kommen bereits 18 Nachwuchspolitiker aus Krasnojarsk für 5 Tage nach Rheinland-Pfalz. Im Mittelpunkt steht das Thema Bürgerbeteiligung.
Sollte sich die deutsche und russische Politik stärker für kommunale Kooperationen engagieren?
Freundschaften, so auch Städtepartnerschaften, kann man nicht von oben verordnen. Das muss von den Partnern selbst kommen und gewollt sein, als selbstbewusster Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung und der Bürgergesellschaft. Aber in zwei wichtigen Punkten sind die Regierungen und Parlamente beider Länder gefordert. Das wäre die Visa-Problematik und finanzielle Hilfen bei den entfernungsbedingten höheren Reisekosten. Die Idee, zumindest für junge Menschen bis 25 Jahre Visafreiheit zu vereinbaren, ist ein sehr guter Vorschlag. Es kann doch nicht sein, dass bei den großen Entfernungen in Russland beim Jugendaustausch schon hohe Kosten für aufwendige Visabeantragungen anfallen.
Welche Bedeutung haben die kommunalen Kooperationen für die Zukunft?
Das gelungene deutsch-russische Themenjahr der Kommunalpartnerschaften 2017/18 mit der unvergesslichen Abschlussveranstaltung mit 1000 Menschen im „Weltsaal“ des Auswärtigen Amtes hat gezeigt, wie groß das Bedürfnis der Menschen an der Basis ist, die deutsch-russische Freundschaft zu pflegen und durch ganz konkrete Zusammenarbeit oder Initiativen nachhaltig zu festigen. Der Besuch der beiden Außenminister Sergej Lawrow und Heiko Maas bei dieser Veranstaltung war für alle Beteiligten ein hohes Symbol der Wertschätzung und der Motivation für die Zukunft. Und umgekehrt gaben die engagierten Bürgerinnen und Bürger das Signal, quasi von unten nach oben, alles zu tun, der Sehnsucht der Menschen nach friedlichen und freundschaftlichen deutsch-russischen Beziehungen wieder mehr gerecht zu werden.
Fotos (c) Deutsch-Russisches Forum e.V.