Kommunale Partnerschaften: Welche Chancen bieten sie für einen gemeinsamen Weg in schwierigen Zeiten?
Dieser Frage ging die Konferenz „Kommunale und regionale Partnerschaften als Brücken der deutsch-russischen Verständigung“ nach, die das Deutsch-Russische Forum gemeinsam mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern ausrichtete. Die Diskussion wurde im Livestream auf der Plattform YouTube übertragen, Zuschauerinnen und Zuschauer konnten im Chat mit Fragen und Kommentaren mitwirken. „Nicht vergessen, was war, aber an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten“ – Klaus Eberl sprach am 30. November 2020 den Satz, der als Motto über der Tagung, die dem Gedenken an 75 Jahre Kriegsende gewidmet war, stehen könnte.
Es war der konstruktive Geist, der beeindruckte, als zwei ganz besondere Projekte gesellschaftlicher Zusammenarbeit vorgestellt wurden: Klaus Eberl und Bernd Schleberger von der „Initiative Pskow“ berichteten über das Heilpädagogische Zentrum für Menschen mit Behinderungen, das sie in der nordrussischen Stadt aufgebaut haben. Arina Nemkowa erläuterte die Arbeit des von ihr geleiteten Deutsch-Russischen Begegnungszentrums für die Überlebenden der Leningrader Blockade. Die Generation von morgen ist in beiden Projekte engagiert: In St. Petersburg begegnen und helfen junge Freiwillige den betagten Blockadeopfern, in Pskow betreuen sie die Schwerstbehinderten.
Blicken Sie hier in die Deutsch-Russische Kommunalkonferenz „Partnerschaften als Brücken der Verständigung“ vom 30. November 2020.
Wilfried Bergmann, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, und Sergej Paramonow, Vizepräsident der Internationalen Assoziation der Partnerstädte, eröffneten die Konferenz. Den anschließenden Auftakt bildete eine Diskussion über Chancen und Wege für einen Frieden mit Russland. In der vom Vorsitzenden des Bundesverbands Deutscher West-Ost-Gesellschaften Peter Franke moderierten Runde war viel Enttäuschung über das politische Zerwürfnis zwischen Deutschland und Russland zu spüren. Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen in Europa wurde die aktuelle, von Persönlichkeiten aus Kultur und Politik unterstützte Initiative für ein Deutsch-Russisches Jugendwerk begrüßt.
Jelena Hoffmann, Vorstandsvorsitzende der Stiftung West-Östliche Begegnungen, unterstrich die Bedeutung der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg: Heute würden die Russen kaum noch als Befreier wahrgenommen. Im politischen Dialog müsse sich in Deutschland bei aller berechtigten Kritik der Ton gegenüber Russland ändern. Reiner Braun, Co-Präsident des International Peace Bureau, vermisste 75 Jahre nach Kriegsende eine Friedenspolitik der EU. Ein solches Zeichen wolle die Zivilgesellschaft 2021 – 80 Jahre nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion – mit einem Friedenszug von Berlin nach Moskau setzen. Der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft Russland – Deutschland, Anatolij Blinow, beklagte, dass die USA in Russland vor allem einen Aggressor sähen; in der Zusammenarbeit mit der EU würde zu wenig auf die Interessen seines Landes eingegangen. Die Sanktionen wurden einhellig kritisiert. Landrat Wolfgang Spelthahn betonte die Bedeutung des Austauschs auf kommunaler Ebene – zwischen Ärzten, Feuerwehr oder Sportvereinen. Er erinnerte an die erfolgreiche Städtepartnerkonferenz 2019 in seinem Landkreis Düren und die Friedensaktion auf der Kriegsgräberstätte Vossenack-Hürtgenwald: Begegnung sei die beste Friedensvorsorge.
Damit sprach er einen Wunsch an, der sich – neben der Forderung nach Visa-Erleichterungen – wie ein roter Faden durch die gesamte Tagung zog: Wir wollen uns wieder persönlich treffen! Online-Formate könnten die direkte Begegnung auf Dauer nicht ersetzen. Für 2021 richteten sich die Hoffnungen vor allem auf die Städtepartnerkonferenz in Kaluga. Derzeit aber, so Spelthahn, überlagere Corona einfach alles.
Wie sehr die Krise die Städte und Gemeinden in Atem hält, zeigte der zweite Teil der Diskussion, durch die Miriam Elsaeßer, Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik beim Deutschen Landkreistag, führte. Wladislaw Schapscha, Gouverneur des Gebiets Kaluga, Thomas Kufen, Oberbürgermeister der Stadt Essen, Ruslan Badretdinow von der Stadt Nischnij Nowgorod und Harald Altekrüger, Landrat des Landkreises Spree-Neiße, erläuterten die Aufgaben ihrer Kommunen und Regionen in Zeiten der Pandemie: von der Einführung von Corona-Beschränkungen, der Unterstützung von Unternehmen über die Organisation des Schulunterrichts bis zum Aufbau von Impfstraßen. Alle betonten, dass die partnerschaftlichen Kontakte trotz Pandemie lebendig geblieben seien: Man habe neue Wege für die Zusammenarbeit gefunden.
Im Anschluss bekräftigten der Oberbürgermeister der Stadt Weimar, Peter Kleine, und der Leiter des Amts für Wirtschaftsentwicklung der Stadt Tula, Alexander Ilinskij, ihren Wunsch nach Kooperation. Bildung und Kultur seien für die Universitätsstädte eine gute gemeinsame Basis: „Tula hat Tolstoj, wir haben Goethe und Schiller“, brachte es Kleine auf den Punkt. Auch Peter Ilk, Bürgermeister im brandenburgischen Baruth/Mark, bekundete das Interesse seiner Stadt an einer Partnerschaft.
Im dritten und letzten Teil der Konferenz ging es um die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Grußworte sprachen Matthias Platzeck, Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Russischen Forums, Sergej Netschajew, Botschafter der Russischen Föderation, Walerij Ponomarjow, Mitglied des Föderationsrates, Johann Saathoff, Koordinator für Russland, Zentralasien und die Länder der Östlichen Partnerschaft sowie Antje Draheim, Staatssekretärin für Bundesangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim Bund.
Moderator Martin Hoffmann, Geschäftsführender Vorstand des Deutsch-Russischen Forums, leitete die Diskussion mit einem Zitat des ehemaligen Außenministers Sigmar Gabriel ein: „Je schwieriger es ist, auf der politischen Ebene voranzukommen, desto wichtiger sind kommunale Beziehungen.“ Dem schlossen sich auch Pawel Sawalnyj, Vorsitzender der Russisch-Deutschen Parlamentariergruppe, und Botschafter a.D. Wladimir Grinin an. Zugleich äußerten beide ihre Skepsis darüber, ob Europäer und auch Deutsche noch zu einer Partnerschaft mit Russland bereit seien. Katrin Lange, Finanz- und Europaministerin des Landes Brandenburg, gab zu bedenken, dass die regionalen Verbindungen nicht mit den Aufgaben politischer Diplomatie überfordert werden dürften. Ihr fehle in der europäischen Außenpolitik eine Linie, die das Verhältnis zu Russland auf stabile Füße stellt: „Warum konnten wir zu Hochzeiten des Kalten Krieges Entspannungspolitik machen und können es jetzt nicht?“ Sawalny stellte klar, dass sich an der Einstellung Russlands nichts geändert habe: Sein Land wolle nach wie vor Freundschaft. Tobias Zech, Mitglied des Bundestages und der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, unterstrich, dass Deutschland und die EU eine Politik der ausgestreckten Hand praktizierten.
In der Diskussion trat deutlich zutage, wie sehr der Fall Nawalny und die amerikanischen Sanktionen gegen Nord Stream 2 die politische Vertrauenskrise noch vertieft haben. Es blieb die Frage „Was können wir tun?“ Botschafter Grinin, der die Beziehungen zwischen Deutschen und Russen als einen Wert an sich bezeichnete, plädierte dafür, die jungen Menschen stärker in das deutsch-russische Verhältnis einzubinden. Die neue Generation werde die Stimmung in den Gesellschaften und die zukünftige Entwicklung der Beziehungen prägen: Mehr gemeinsame Schulen, mehr gemeinsame Ausbildung, mehr Annäherung zwischen jungen Deutschen und Russen – das sei eine weise Politik.