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Dr. Gerd Lenga, seit über 25 Jahre beruflich in Russland tätig und Gründungsmitglied des Deutsch-Russischen Forums, führte zu Beginn überblickend in die Thematik ein. Seiner Meinung nach waren es vor allem die USA, die ein Interesse an der Schwächung der Beziehung zwischen Russland und Deutschland hatten. Vor allem die negativen Folgen der Sanktionen auf das Leben der Menschen in Russland sah er als sehr bedenklich an. Als Vertreter der deutschen Wirtschaft hatte Dr. Lenga einen sehr konkreten Vorschlag zur Verbesserung der Situation: er sprach sich für die Einführung der Visafreiheit aus. Längerfristig würden dann die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland auch zu einem Werteaustausch führen.
Laut Ulrike Guérot, Publizistin und seit 2014 Direktorin des European Democracy Lab, müsse man sich zuerst mit der Analyse der Situation beschäftigen bevor Lösungen gefunden werden könnten. Momentan gäbe es in der Krise nur drei Verlierer: die EU, Russland und die Ukraine. Gründe für das schlechte Verhältnis zwischen der EU und Russland seien darin zu suchen, dass diese Beziehung von beiden Seiten unterschiedlich wahrgenommen werde. Es gäbe eine Nichtkongruenz zwischen den geopolitischen und den wirtschaftspolitischen Interessen der beiden Staaten. Dies sollte von Seiten Deutschlands im Rahmen einer neuen Ostpolitik gelöst werden. Dabei müsse sich Deutschland aber seiner besonderen historischen Verantwortung in Europa und vor allem Russland und den östlichen Nachbarn gegenüber bewusst sein. Es könne aber keine schnelle Lösung der Krise geben. Zumindest ein erster Schritt wäre es aber Putin und damit Russland als ebenbürtigen Verhandlungspartner zu behandeln.
Die amerikanische Perspektive in der Diskussionsrunde erklärte Dr. Josef Braml, Redaktionsleiter und geschäftsführender Herausgeber des DGAP-Jahrbuchs. Ihm zufolge spielt Russland für Europa eine weit größere Rolle als für die USA und widerspricht dementsprechend Dr. Lenga: die USA hätten kein übergeordnetes Interesse daran das Verhältnis Deutschland-Russland zu stören. Russland sei aus amerikanischer Sicht eine »Regionalmacht«, die aber gebraucht werde, um die aufstrebende Macht China einzudämmen. Um das zu erreichen und um das Verhältnis mit Russland wieder zu normalisieren sollten die Sanktionen so schnell wie möglich aufgehoben werden, sodass ein Anreiz für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum geschaffen wird. Russland selbst habe dagegen kein Interesse an einer Normalisierung der Beziehungen, da die nationalen Zustimmungsraten für Putin im Moment – anders als zu der Zeit der Demonstrationen anlässlich der Parlamentswahlen in Russland 2011 – sehr hoch seien.
Nach Meinung von Prof. Hon. Alexander Rahr, Osteuropahistoriker und deutsch-russischer Unternehmensberater, orientiert sich Russland nach einer Phase des Versuchs der Annäherung an die EU und an die NATO inzwischen Richtung Asien. Russland strebe eine führende Position in einer multipolaren Welt an, in der nicht mehr die USA als einzige Großmacht agieren könne. Eine Lösung des Konflikts sei schwierig, da es sich um eine Weltanschauungskrise handle. Nach Ansicht Prof. Rahrs müsse der nächste Schritt die Erfüllung des Minsker-Abkommens sein, um längerfristig zu einer Einigung über eine europäische Sicherheitsarchitektur zu kommen, die für alle beteiligten Staaten akzeptabel ist.
Zusätzlich zu den vier Gästen hatten auch die zahlreichen Besucher der Veranstaltung die Gelegenheit sich mit Fragen und Wortmeldungen am Gespräch zu beteiligen und die Diskussion anzuregen. Das Video der Eingangsstatements der vier Gesprächsteilnehmer und der anschließenden Diskussion können Sie sich auch auf russlandkontrovers.de ansehen und dort die Diskussion weiterführen.
Text: Christina Berger
Die Diskutanten
- Dr. Gerd Lenga besitzt über 25 Jahre beruflicher Erfahrung in Russland, u.a. als Rechtsanwalt, als Schiedsrichter am Internationalen Wirtschaftsschiedsgericht der RF, und in den letzten Jahren in führender Position bei einem großen deutschen Baustoffunternehmen. Er ist Gründungsmitglied des Deutsch-Russischen Forums e.V., darüber hinaus aber auch in anderen Vereinigungen aktiv, deren Ziel die Unterstützung der deutsch-russischen Beziehungen ist, so etwa auch als Vorsitzender des früheren Ost- und Mitteleuropavereins (OMV).
- Dr. Ulrike Guérot ist Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Nach Etappen bei der DGAP, dem German Marshall Fund und dem European Council on Foreign Relations ist sie seit April 2014 Direktorin des European Democracy Lab. Zudem war sie 2014 Senior Fellow bei der Open Society Initiative for Europe (OSIFE) in Berlin, sowie Gastforscherin am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Sie beschäftigt sich mit der Zukunft der europäischen Demokratie.
- Dr. Josef Braml ist seit 2006 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Programms USA – Transatlantische Beziehungen sowie Leiter der Redaktion und geschäftsführender Herausgeber des DGAP-Jahrbuchs. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Consultant der Weltbank und Berater im US-Abgeordnetenhaus.
- Prof. Hon. Alexander Rahr ist Osteuropahistoriker und deutsch-russischer Unternehmensberater. Rahr arbeitete zunächst bei Radio Freies Europa, dann bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und schliesslich für die Wintershall Holding GmbH. Alexander Rahr ist zugleich Dozent an der Moskauer Wirtschaftshochschule.