„Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“ – Dieses Brandt-Zitat bildete den Minimalkonsens beim zweiten Moskauer Gespräch 2019 zum Thema „Vertrauen in der internationalen Zusammenarbeit“ gestern Abend im Deutsch-Russischen Haus. Denn Prof. Dr. Gromyko (Direktor des Europainstituts und korrespondierendes Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften), Fritz Pleitgen und Friedrich Schmidt (Russland-Korrespondent der FAZ) boten drei sehr unterschiedliche Perspektiven zu der Frage, wer denn in den letzen 20 Jahren den Stein zur dramatischen Verschlechterung der offiziellen deutsch-russischen Beziehungen ins Rollen gebracht habe. So bekamen die 130 gespannt lauschenden Gäste einen durchaus repräsentativen Überblick über das gesamte Repertoire an gegenseitigen Verantwortungszuweisungen, das den Ost-West-Dialog in den letzen Jahren prägt. Dass der beidseitige Umgang mit der Frage der NATO-Osterweiterung in den 1990-gern im Rückblick viel Raum für Optimierung bietet, war dagegen unumstritten. Selbstreflexion und Selbstkritik legte Fritz Pleitgen daher allen Seiten dringlichst ans Herz. Das Leitmotiv der NATO-Gründung bspw. – „Keep the US in and the Russians out“ – habe leider eine Renaissance erlebt.
Alle drei Experten beklagten verhärtete Clichés, dominante Vorwurfs-Narrative und voreingenommene Grundeinstellungen – nicht zuletzt in der Presse beider Länder. Dabei habe sich die Basis der Vertrauensbeziehungen im Vergleich zu den 1970-ern umgekehrt. Während damals die Vertreter auf Regierungsebene einander mehr Vertrauen geschenkt hätten als die breite Öffentlichkeit beider Länder, sei heute die zivilgesellschaftliche Vernetzung der Ausgangspunkt für Vertrauensinitiativen. Einen großen Durchbruch in den Vertrauensbeziehungen wollte Prof. Gromyko nicht ausschließen. Allerdings sei dafür ein verständnisvoller und ausgleichender Blick auf die Sicherheitsbedürfnisse aller Seiten notwendig. Eine pragmatische Politik der kleinen Schritte als der meist-versprechende Weg zu neuem Vertrauen – das war daher der zweite Konsens zum Abschluss des Abends. Projekte im Gesundheitsbereich wie die Krebsforschung nannte Fritz Pleitgen als ein Beispiel dafür, wie das WIN-WIN-Potential deutsch-russischer Kooperationen wieder in der Vordergrund gerückt werden könnte. „Im internationalen Wettbewerb an der Spitze bleiben: Deutsch-russische Erfahrungen mit Agility, Synnovation, Design Thinking und Playful Business“ ist daher auch das Thema des nächsten Moskauer Gesprächs am 29. Mai.“