In diesem Jahr feiert das Journalistenpraktikum Plus sein 25-jähriges Jubiläum. Seit 1994 vermittelt das Deutsch-Russische Forum Nachwuchsjournalisten aus Russland ein sechswöchiges Praktikum in deutschen Zeitungs-, Hörfunk- oder Fernsehredaktionen. In den zurückliegenden 25 Jahren haben über 400 Nachwuchsjournalisten aus ganz Russland daran teilgenommen. Ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten über die Bedeutung des Journalistenpraktikums für ihre weitere berufliche Entwicklung.

Vladimir Esipov, Reporter, Russisch-Redaktion, Deutsche Welle (DW) Berlin
1996 Praktikant in der Polizeiredaktion des Hamburger Abendblatts
Was mich damals am meisten überrascht hat, war die Leichtigkeit, mit der meine deutsche Kollegen Polizeifunk abgehört haben (ich war 1996 Praktikant in der Polizeiredaktion des Hamburger Abendblatts). Bei manchen Einsätzen waren wir als Reporter fast vor der Polizei vor Ort, das war sehr ungewöhnlich. Ich habe sehr viel gelernt. Vor allem, wie man eine saubere Meldung schreibt und später noch, wie man einen schönen Text verfasst. Aus der Zeit beim Abendblatt sind zum Teil Freundschaften entstanden, die bis heute bestehen. Besonders in Erinnerung habe ich eine Drogenrazzia, bei der niemand verprügelt wurde – ich war eine wenige Zeit davor bei einer ähnlichen Razzia in St. Petersburg, bei der die Polizisten sehr brutal vorgingen. In Hamburg wurde niemand geschlagen, ich fand das sehr ungewöhnlich. Den aktuellen Teilnehmern des Programms wünsche ich, möglichst viele Chancen zu nutzen, die sie in dieser Zeit bekommen – möglichst viele Kontakte zu knüpfen und möglichst viel machen, schreiben, erleben.

Sergej Sumlenny, Büroleiter Heinrich-Böll-Stiftung e.V. Kiew
2001 Praktikant bei der Nachrichtensendung „heute“ im ZDF
„Mein Journalistenpraktikum habe ich im Jahr 2001 bei der Nachrichtensendung „heute“ im ZDF-Hauptstudio in Mainz absolviert. Dies war für mich die einzigartige Chance, die Nachrichtenküche eines großen öffentlichen Senders von innen kennenzulernen. Nachteile hatte diese Platzierung allerdings auch – zu groß war die Redaktion, zu schnell die Prozesse. So bekamen die Praktikant*innen nur selten „richtige“ Aufgaben, obwohl wir alles beobachten und hinterfragen durften. Aber das änderte sich am 11. September schlagartig, als die Zwillingstürme in New York angegriffen wurden – jetzt war jede Person im Studio im Einsatz, auch ich. Damals wusste ich noch nicht, dass ich mich wenige Monate später für die Position eines Producers beim ARD-Studio Moskau bewerben würde und dass meine ZDF-Erfahrung mir dabei helfen würde. Im ARD-Studio in Moskau arbeitete ich in den nächsten Jahren zu vielen brisanten Themen wie Anschläge, Katastrophen und andere Breaking News. Auch hierbei half mir meine Praktikumserfahrung – nicht nur fachlich, sondern auch sprachlich. Es standen mir damals noch viele Diskussionen und Überlegungen bevor, aber die anderthalb Praktikumsmonate bei einem freien öffentlichen Medium haben mich massiv geprägt und meine Karriere bestimmt.“

Timofey Neshitov, Redakteur beim Spiegel in Hamburg
2003 Praktikant bei der Akademie für Publizistik in Hamburg e.V.
Für mich war dieses Praktikum die erste Gelegenheit, die Arbeit deutscher Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Ich hatte zwar einige Artikel in der deutschsprachigen „Sankt-Petersburgischen Zeitung“ veröffentlicht, aber wenig Ahnung vom Redaktionsalltag in Deutschland. In Hamburg konnte ich die Redaktionen von Chrismon und Mare besuchen, mich einige Wochen an der Akademie für Publizistik ausbilden lassen und eine Station bei der ZEIT Stiftung absolvieren. Die Vielfalt dieser Erfahrungen brachte mich auf die Idee, mich in Deutschland um ein Volontariat zu bewerben (bei der Mittelbayerischen Zeitung). Es klappte dann zwar nicht mit dem Volontariat, aber später mit der Deutschen Journalistenschule in München. Dass ich Reporter bei der Süddeutschen Zeitung wurde und heute beim Spiegel arbeite, hängt eng mit meinem Aufenthalt in Hamburg 2003 zusammen. Den aktuellen Stipendiaten wünsche ich viel Erfolg: Egal, ob Ihr Euch für eine russische oder eine deutsche Redaktion entscheidet.

Anfisa Voronina, Redaktionsleiterin für kommerzielle Projekte, Herausgeberin für kommerzielle Projekte, „Vedomosti“ in Moskau
2000 Praktikantin bei der „debis AG“
Im Jahr 2000 absolvierte ich ein Praktikum in der Kommunikationsabteilung der debis AG in Berlin. Ich habe Journalismus an der Staatlichen Universität Moskau studiert und PR war für mich ein ganz neues Tätigkeitsfeld: Zuerst habe ich geholfen, die Veröffentlichungen jeden Morgen zu überwachen, dann habe ich die Aufgabe bekommen, eine Kontaktdatenbank in den russischen Medien aufzubauen. Als dann der Moskauer Fernsehturm Ostankino in Brand geriet, war mein Wissen als Journalistin, wenn auch einer Anfängerin, sehr nützlich: Ich half meinen Kollegen nicht nur beim Verständnis dessen, was vor sich ging, sondern auch bei der operativen Vorbereitung von Materialien zur Situation, auch für die Unternehmensleitung. Für mich war das Praktikum eine großartige Gelegenheit, nicht nur russische und deutsche Mediensysteme in der Praxis zu vergleichen, sondern auch in eine neue Art von Tätigkeit einzutauchen. Das Praktikum war eine wichtige Erfahrung in der interkulturellen Kommunikation und eine großartige Gelegenheit, wunderbare Bekanntschaften zu machen – viele von ihnen halten bis heute. Ganz zu schweigen davon, dass die Worte „Deutsch-Russisches Forum“ im Lebenslauf der Schlüssel ist, der viele Türen öffnet. Ich denke, dass ein solches Praktikum ein Traum für alle sein sollte, die ihren zukünftigen Beruf lieben – es gibt ihnen die Möglichkeit, nicht nur Wissen und praktische Erfahrungen aus erster Hand zu sammeln, sondern auch viele Dinge mit ganz neuen Augen zu betrachten.