In Deutschland werden die drei Millionen „Spätaussiedler“ gern als Muster der Integration herangezogen, in Russland gelten die 400.000 Russlanddeutschen als Vermittler zwischen beiden Ländern. In Zeiten der zwischenstaatlichen Spannungen werden nationale Minderheiten wie die Russlanddeutschen jedoch häufig vom Mittler der Kulturen zur Projektionsfläche gegenseitiger Propaganda, wie Anfang diesen Jahres beim Berliner „Fall Lisa“ geschehen.
Dimitri Rempel, Vorsitzender der neu gegründeten Aussiedlerpartei „Die Einheit“, bekam vor kurzem für seinen lautstarken Einwurf, eine halbe Million Spätaussiedler wollten von Deutschland zurück nach Russland, viel Öffentlichkeit. Und tatsächlich gibt es einen neuen Trend zur Rückkehr – wenn auch zahlenmäßig weit unter Rempels Schätzung –, er zeigt, dass die Situation nicht einfach ist. Für viele Aussiedler haben sich die Erwartungen an ein Leben in Deutschland nicht erfüllt: Nicht anerkannte Abschlüsse, Sprachbarrieren und die lange ausbleibende Anerkennung als „Deutsche unter Deutschen“, erschweren ein Heimischwerden.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen, wie zum Beispiel eine Annäherung auf institutioneller Ebene: Zum ersten Mal nach drei Jahren tagte unlängst in Omsk die deutsch-russische Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen, wo u.a. ein gemeinsamer Haushaltsplan zur Förderung der Minderheit beschlossen wurde. Stehen die Zeichen also auf Neuanfang? Was ist die aktuelle Situation der (Spät)Aussiedler in Deutschland und der Deutschen in Russland? Was sollte die Rolle der Russlanddeutschen heutzutage sein? Welche Strukturen braucht es dafür? Welche kulturellen und Mitspracherechte sind notwendig? Zu diesen Fragen diskutierten am 8. Juni im Goethe-Institut Moskau Olga Martens, erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbands der deutschen Kultur, Margarita Bauer, Vorsitzende des Jugendrings der Russlanddeutschen sowie Igor W. Barinow, Leiter der Agentur für Nationalitätenangelegenheiten der Russischen Föderation. Die Diskussion moderieren wurde die Deutschlandradio-Journalistin Gesine Dornblüth.