Es fiel uns nicht leicht, komplett umzudenken, doch auf unser wohl ältestes Veranstaltungsformat wollten wir in diesem Jahr dann doch nicht verzichten. Normalerweise ist das Hauptziel eines Nachwuchskräfteseminars der persönliche Kontakt, der den Beginn eines Miteinanders in einem breiten deutsch-russischen Alumninetzwerk ausmacht. Aber in 2020 ist alles anders: So fand vom 8. bis 10. Dezember unser erstes virtuelles Young Leader-Seminar in Kooperation mit der Hanns-Seidel-Stiftung (Büro Moskau) und mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes statt.
24 Nachwuchskräfte, von unseren Mitgliedern nominiert, nahmen an dem bilateralen dreitägigen Seminar teil. Zum Auftakt gab es ein Treffen mit Matthias Platzeck, Ministerpräsident a.D. und Vorsitzender des Forums, sowie Brian Chesterman, Geschäftsführer der Rosneft Deutschland, und Mitglied im Kuratorium des Deutsch-Russischen Forums e.V.. Höhepunkt des Seminars war dieses Mal eine (öffentliche) Diskussionsrunde mit Vladimir Milov, ehemaliger stellvertretender Energieminister der Russischen Föderation, und Prof. Dr. Friedbert Pflüger, Staatssekretär a.D., zum Thema Ostseepipeline. Hinterfragt wurde der wirtschaftliche bzw. politische Hintergrund dieses brisanten Großprojektes, was wirtschaftlich gesehen Nationen vereinen und deren Energieversorgung sichern soll, doch politisch gesehen eher einen Scherbenhaufen verursacht.
Milov unterstreicht dabei, dass die „europäischen Abnehmerstaaten“ wohl eher am Gaszugang und dessen Weiterverkauf und die damit verbundenen Umsätze interessiert seien. Er selbst sehnt sich die frühen „Nuller Jahre“ (2000er) zurück, in denen Russland rein wirtschaftliche Interessen verfolgte, so wie dessen Partner. Gaslieferungen waren Gaslieferungen und hatten damals keine geopolitischen Hintergedanken.
Pflüger betont, dass North Stream eine „natürliche“ Fortsetzung der russisch-deutschen, russisch-europäischen Energiepartnerschaft aus den 1970er Jahren sei. Das sei der politische Aspekt. Aber Europas Energieproduktion stagniert. Gleichzeitig steige die Nachfrage nach Energieträgern in Europa kontinuierlich. Wirtschaftlich mache es Sinn, dass Staaten wie Russland und die USA, aber auch andere Staaten Europa als einen reinen Absatzmarkt sehen. Die Kosten sind ausschlaggebend. LNG-Gas, per Schiff nach Europa importiert, sei deutlich teurer als Gas, welches per Pipeline nach Europa gebracht werde. North Stream 2 mache also auch wirtschaftlich Sinn.
Die Diskussion können Sie sich auch im Nachgang auf unserem Youtube-Kanal (hier) ansehen.
Alexej Yusupov und Elena Stein, ehemalige SeminarteilnehmerINNEN und Alumni unseres Netzwerkes, moderierten das Seminar und leiteten die spannenden Workshops mit Stimmungsbildern und Diskussionen in Kleingruppen. Weitere Gesprächsrunden fanden u.a. mit Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Johann Saathoff, Russlandbeauftragter der Bundesregierung, statt. Die Koordinatoren unseres Clubs FORUM, der Alumnivereinigung des Deutsch-Russischen Forums e.V., schalteten sich aus fünf verschiedenen Städten in Deutschland, Russland und Österreich zu und eine Kochshow mit Olga Matwej (hier) und eine Lesung mit Olga Griasnowa (hier), beides auf Empfehlung unseres Kulturportals Russland rundeten das Seminarprogramm ab.