Am 18.02.2020 veranstaltete das Deutsch-Russische Forum e.V. in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde in der Kapelle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Podiumsdiskussion zu dem Thema „Geraubte Ikonen – zerstörte Kirchen. Der Krieg gegen die Sowjetunion und die ‚Weißen Flecken‘ in der deutschen Erinnerung“. Als Podiumsteilnehmer waren Prof. Dr. Michail Schwydkoj, Sonderbeauftragter des Präsidenten der Russischen Föderation für internationale kulturelle Zusammenarbeit, Prof. Dr. Wolfgang Eichwede, Universität Bremen Forschungsstelle Osteuropa, Dr. Corinna Kuhr-Korolev, Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, Dr. Pawel Choroschilow, Stellvertretender Kulturminister der Russischen Föderation a.D., Vorstandsmitglied der Russischen Historischen Gesellschaft und Dr. Pawel Petrow, Peterhof State Museum-Reserve, geladen. Christiane Hoffmann vom SPIEGEL moderierte die Gesprächsrunde.
Pfarrer Germer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eröffnete die Veranstaltung mit einer Begrüßungsrede. Mit einer so denkwürdigen und symbolträchtigen Stätte wie der Gedächtniskirche sei ein der Tragweite des Themas angemessener Ort gewählt worden, so Pfarrer Germer. Auch im Hinblick auf das Ende des zweiten Weltkrieges, das sich in diesem Jahr zum 75. Mal jährt, biete sich ein besonderer Anlass zur gegenseitigen Erinnerung und Aufarbeitung. Martin Hoffmann, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums e.V. und Dr. Gabriele Freitag, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde übernahmen nacheinander das Wort zur Begrüßung und einer ersten Einleitung.
Professor Dr. Eichwede führte in das Thema des Abends ein und betonte, man fixiere sich hierzulande zu sehr auf die eigenen Verluste und erkenne die systematische Zerstörung und den Raub von Kulturgut durch die Wehrmacht in der Sowjetunion nicht ausreichend an. Professor Dr. Michail Schwydkoj ergänzte, dass gezielter Kulturraub nicht nur materielle Verluste bedeute. Die Systematik der deutschen Kulturzerstörung habe auch darauf abgezielt, den Völkern der Sowjetunion ein Stück ihrer Identität und ihres historischen Gedächtnisses zu nehmen. Über die Zerstörung der historischen Schlossanlage Peterhof, die heute als Museum zu besuchen ist, berichtete der dortige Leiter der wissenschaftlichen Abteilung Dr. Pawel Petrow genauer.
Dr. Corinna Kuhr-Korolev zeigte daraufhin einige Problemfelder bei der Erforschung und Aufarbeitung dieses Themas auf. Auch wenn man durchaus von einer systematischen Ausbeutung sowjetischer Kulturgüter sprechen könne, so sei eine hohe Anzahl staatlicher Gruppen daran beteiligt gewesen, wodurch die Wege der Objekte schwer nachvollziehbar seien. In der Vergangenheit gab es auch Hürden politischer Natur, wie Dr. Pawel Choroschilow erläuterte. Nachdem es in den 1990ern bereits Restitutionsverhandlungen gegeben hat, müssen sich beide Seiten heute Fehler im Umgang mit diesem sensiblen Thema eingestehen. Unabdingbar für erfolgreiche Rückführungsverhandlungen sei die Anerkennung der Verluste des anderen und in erster Linie gegenseitiges Vertrauen. Darin waren sich alle Podiumsteilnehmer einig und blicken insofern mit Optimismus in die Zukunft.
Nachdem die zahlreichen Gäste den Experten ihre Fragen gestellt hatten, kamen die Gäste bei Getränken zusammen, um das Thema zu vertiefen und ihre Ansichten auszutauschen. Besucher und Organisatoren können auf eine erfolgreiche und konstruktive Veranstaltung zurückblicken.
Fotos: (c) Deutsch-Russisches Forum e.V.