Am 8. November fanden die 19. Potsdamer Begegnungen in Moskau statt. „Der Charakter der Potsdamer Begegnungen hat sich geändert. Sie sind politischer geworden“, sagte Matthias Platzeck, Vorsitzender des Vorstands des Deutsch-Russischen Forums e.V., in seiner Eröffnungsrede. Das Deutsch-Russische Forum e.V. hatte 30 Spezialisten und Experten aus Russland und Deutschland in die Gortschakow-Stiftung für öffentliche Diplomatie geladen, um in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal gemeinsam über aktuelle weltpolitische Geschehnisse zu diskutieren. Habe man früher noch über kulturelle Themen und Gemeinsamkeiten gesprochen, so seien die Potsdamer Begegnungen in den letzten zwei Jahren angesichts der politischen Lage inhaltlich politischer geworden, erklärte Platzeck. „Wir müssen uns jetzt den entscheidenden Fragen zuwenden. Wir müssen offen und ehrlich reden und uns fragen, wie wir aus der Situation herauskommen.“ (Lesen Sie hier Platzecks Eröffnungsrede. Es gilt das gesprochene Wort)
Diese Formatänderung macht sich nicht zuletzt auch mit den politischen Gästen bemerkbar. War zu den ersten Potsdamer Begegnungen in diesem Jahr im Mai in Potsdam der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier zu den Gesprächen gekommen, so diskutierte dieses Mal in Moskau der russische Außenminister, Sergej Wiktorowitsch Lawrow, mit den Teilnehmern zum Thema „Europa von Lissabon bis Wladiwostok: Alternativloser Weg zur Stabilität Europas“. Zunächst dankte der Minister dem Deutsch-Russischen Forum e.V. für die Einladung und lobte das Format der Potsdamer Begegnungen als „Plattform für den Austausch und Zusammenarbeit“ fern von Stereotypen und Blockbildung. Nach einer kurzen Rede, in der er die aktuellen Krisenherde benannte, die die deutsch-russischen Beziehungen belasteten, wie die Ukraine- und Syrienkrise, stellte sich der Minister zwei Stunden lang den Fragen der Teilnehmer. Mangelndes Vertrauen von beiden Seiten wurde immer wieder als zentrales Problem genannt. Weitere Themen waren die OSZE, die Wirtschaftssanktionen sowie der Wille der Wirtschaft, trotz politischer Schwierigkeiten zu kooperieren. (Den Vortrag des russischen Außenministers können Sie hier nachlesen).
Im Anschluss an die Gesprächsrunde mit dem russischen Außenminister behandelten die Teilnehmer in zwei Diskussionsrunden aktuelle weltpolitische Themen und die deutsche und russische Perspektive auf diese. In der ersten Sitzung ging es um „Weltpolitik im Umbruch: US-Wahlen, Duma-Wahlen, Brexit, Terrorismus, Naher Osten, Ukraine – Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Russland und dem Westen“. In ihrem Impulsreferat benannte Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D., die Hauptprobleme mit denen die heutige Welt konfrontiert sei, wie die Kluft zwischen den Eliten und der Bevölkerung, mangelnde Transparenz bei politischen Entscheidungen sowie die Glaubwürdigkeit der Medien (der ganze Vortrag ist hier nachzulesen). In der zweiten Blocksitzung zum Thema „Gemeinsamer Raum Lissabon – Wladiwostok oder Vancouver – Donezk? Unterschiedliche und gemeinsame politische Konzeptionen und Begriffe“ zeichnete Ulf Schneider, geschäftsführender Gesellschafter der SCHNEIDER GROUP, die Perspektive eines wirtschaftlichen Raumes von Lissabon bis Wladiwostok. Der Westen habe das Know-how, der Osten die Arbeitskräfte und IT-Spezialisten. Probleme wie Zölle und Visafreiheiten gelte es zu lösen, um die Idee in Realität umzusetzen (einen Auszug des Vortrags können Sie hier nachlesen).
Politischer wurde es wieder bei der Frage nach der Deutungshoheit der Geschichte. Hauptproblem der politischen Schwierigkeiten zwischen dem Westen und Russland sei, dass die Geschichte völlig unterschiedlich erzählt werde, so Alexander Rahr, der die Diskussion als Moderator leitete. „Narrative sind das entscheidende Element“, so Rahr. Letztendlich müsse ein einheitliches Narrativ gefunden werden, um Lösungsansätze gemeinsam zu schaffen. Der gemeinsame Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok mag zwar eine Utopie sein, so Rahr weiter, aber genau deshalb dürfe man nicht davon ablassen, sondern diese als Ansporn sehen.