Das Deutsch-Russische Forum e.V. startet im Juni sein neues Fortbildungsprogramm für Kommunalvertreter aus Russland (Interview mit Martin Hoffmann in der Rossijskaja Gazeta zum Fortbildungsprogramm). 20 russische Bürgermeister, Amtsleiter und Stellvertreter u.a. aus den Regionen und Städten Wladimir, Perm, Jakutien, Rostow und Jekaterinburg werden Gelegenheit haben, in deutschen Städten kommunale Praxis kennen zu lernen. Gespräche mit deutschen Bürgermeistern, Regionspräsidenten und Stadtabgeordneten sowie Besuche von Bürgerämtern, Kommunalbetrieben, Behörden und Bürgerinitiativen sollen verschiedenen Kontaktformen von Bürger und Verwaltung anschaulich vermitteln. Theoretisch begleitet wird das Programm von Seminarmodulen.
Anknüpfend an eine Serie von Seminaren, Konferenzen und Workshops, die das Deutsch-Russische Forum e.V. in den vergangenen zwei Jahren zu dem Thema „Staat und Bürger“ in Deutschland und Russland durchführte, entwickelte das Forum ein Fortbildungsprogramm für russische Akteure in Administrationen und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Die Idee einer solchen Projektkonzipierung war auch eine Reaktion auf das große russische Interesse an diesem Thema. In enger Zusammenarbeit mit dem russischen Partner, dem Allrussischen Rat für kommunale Selbstverwaltung (VSMS), werden die russischen Anliegen berücksichtigt. Bereits seit geraumer Zeit setzen sich in Russland Institute der kommunalen Selbstverwaltung, wie der VSMS, mit Fragen der Beziehung zwischen Bürger und Staat (Verwaltung) auseinander. Dabei stehen naturgemäß praxisrelevante Themen im Vordergrund, so die Vereinfachung und Einsichtigkeit von Behördenabläufen, die Verbesserung von Infrastruktur und Kommunalversorgung oder die Erhöhung der wirtschaftlichen Standortattraktivität. Über diese unmittelbaren Problemstellungen hinaus wächst jedoch das Bewusstsein über ein funktionierendes Verhältnis auf Augenhöhe zwischen Bürger und Beamten sowie dem administrativen Apparat als elementare Voraussetzung für das Prosperieren einer Gemeinde und somit für das Wohl der Bürger ebenso wie der politischen, wirtschaftlichen und administrativen Entscheidungsträger. Immer mehr Kommunen sehen hier eine Chance, ihre Bürger zu aktivieren und das Profil einer modernen, aufgeschlossenen Stadt zu stärken. Dabei liegt ein besonderes Interesse der russischen Seite an der gemeinsamen Entwicklung praxisnaher Anknüpfungspunkte, die den Erfahrungsaustausch mit Fortbildungsinhalten verbindet.
Die Ausgangslage
Das Fortbildungsprogramm für russische Kommunalvertreter (KomFortRus) beinhaltet je nach Zielgruppe unterschiedliche Module. Die Zielvorgaben orientieren sich an den spezifischen Gegebenheiten Russlands. Dabei geht man von einem großen bürokratischen Apparat aus, der relativ schlecht entlohnt wird. Die Rolle des Bürgers wird daher funktional unter dem Aspekt seiner Nützlichkeit für den Beamten gesehen. Die Motivation zur Kundenfreundlichkeit ist gering. Es bedarf eines behutsamen und gleichzeitig konsequenten Konzeptes, um ein Bewusstsein für die Chancen einer aktiven Bürgergesellschaft zu schaffen. Das Programm setzt daher im ersten Schritt bei der Fortbildung der mittleren und höheren Ebene der Entscheidungsträger der Verwaltung und kommunalen NGOs an und soll über die Entscheidungsträger an junge Kräfte in den Verwaltungen herangetragen werden. Das Konzept wird durch ein möglichst breites Netzwerk von kommunalen und politischen Institutionen mitgetragen und ist eingebettet in das Netzwerk deutsch-russischer städtepartnerschaftlicher Kontakte.
Das Programm
Zunächst werden vom 15. bis 24. Juni dieses Jahres 20 Vertreter der mittleren und höheren Entscheidungsebene aus russischen Administrationen und NGOs ein zehntägiges Seminarprogramm in Deutschland absolvieren (Bericht zur Auftaktveranstaltung am 15. Juni 2012 in der Russischen Botschaft in Berlin). In Berlin werden die Teilnehmer theoretisch auf die einzelnen Stationen des Programms mit Vorträgen zur kommunalen Selbstverwaltung, „Bürger und Verwaltung im Dialog“, „Perspektiven der lokalen Bürgergesellschaft“ sowie unter dem Fokus „Verwaltung – Wirtschaft – Bürger“ vorbereitet. Anschließend reist die Seminargruppe nach Hannover, um vor Ort die Dienstleistungen der Verwaltung aus einer Hand zu erleben und somit die Verwaltungsmodernisierung praktisch in einem Bürgeramt nachvollziehen zu können. In Köln liegt dann der thematische Schwerpunkt auf dem bürgerschaftlichen Engagement. Prof. Wilfried Bergmann, Mitglied des Vorstands des Deutsch-Russischen Forums, spricht zudem über das aktuelle Schwerpunktthema „Kommunen im demographischen Wandel“. Auch Besuche in Kommunalunternehmen werden angeboten. So besichtigt die Seminargruppe in Köln die RheinEnergie AG und diskutiert zum Thema Energieeffizienz. In Dresden werden die Transformationsprozesse im wiedervereinten Deutschland besprochen. Dr. Matthias Rößler, Präsident des Sächsischen Landtags, ist angefragt, zu dem Thema „Aufbruch nach dem Umbruch: Strukturwandel in Sachsen“ zu referieren. Letzte Station des Fortbildungsprogramms ist Stuttgart. In der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt werden abschließend die Themen „Städtepartnerschaften“ sowie „kommunaler Austausch“ am praktischen Beispiel diskutiert.
Die Ziele
Das Veranstaltungskonzept zielt mit dem genannten Programm auf folgende Vorgaben ab:
- Intensivierung des Dialogs Verwaltung – Bürger,
- Sensibilisierung für die Bedeutung eines kommunalen Dialogs mit dem Bürger,
- Weiterbildung zu verschiedenen Aspekten der kommunalen Selbstverwaltung,
- Stärkung der Bürgerrolle in den russischen Regionen durch Multiplikatorenarbeit,
- Einbindung städtepartnerschaftlicher Verbindungen für langfristigen Erfahrungsaustausch.
Mit diesem zweiwöchigen Initiativprogramm soll die Bereitschaft der russischen Entscheidungsträger angesprochen werden, junge Nachwuchskräfte und Beamte mit Bürgerkontakten zu sechs- bis achtwöchigen Praktikumsaufenthalten in deutsche Kommunen zu entsenden.
Das Deutsch-Russische Forum e.V. ist hierbei Ideengeber und Koordinator des gesamten Fortbildungsprogramms und arbeitet im Verlauf der Planung, Organisation und Durchführung in enger Abstimmung mit der Bundeszentrale für politische Bildung sowie der Robert Bosch Stiftung GmbH, welche auch das Fortbildungsprogramm finanziell tragen. Auf russischer Seite koordiniert der Allrussische Rat für kommunale Selbstverwaltung die Programmabläufe.
Kontakt
Anna Kaiser
Tel.: +49 30 263 907 27
kaiser@deutsch-russisches-forum.de
Nils Dudzus
Tel.: +49 30 263 907 31
dudzus@deutsch-russisches-forum.de