Vom 16.-17. Juni 2014 fanden auf Einladung des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke, und des Deutsch-Russischen Forums e.V. die XVI. Potsdamer Begegnungen unter dem Thema „1914-2014: Zivilisationsbrüche eines Jahrhunderts“ statt.
Aktueller hätte das Thema der deutsch-russischen Konferenz nicht sein können. Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Ehrenvorsitzender des Vorstandes des Deutsch-Russischen Forums, der die Gesprächsrunde moderierte, betonte wie wichtig es sei, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Denn nur aus der Reflektion über die Geschehnisse könne man Lehren für die Gegenwart ziehen. Dass diese Lehren unabdingbar sind, zeigt die brisante Situation in der Ukraine, bei der man wiederholt Zeuge werden muss, wie Sprachlosigkeit in Gewalt umschlägt. Gerade deshalb ist der Dialog zwischen den Nationen wichtig. Die Potsdamer Begegnungen sind ein Beispiel für einen solchen Dialog und boten auch dieses Jahr ihren hochkarätigen Teilnehmern aus den Bereichen Politik, Kultur und Wissenschaft, eine Diskussionsplattform an. Dass den Potsdamer Begegnungen die Förderung von Nachwuchskräften am Herzen liegt, zeigte die Tatsache, dass bereits zum zweiten Mal auch junge Menschen an der Runde teilgenommen haben, die über eine Ausschreibung ausgewählt wurden.
Die thematische Auseinandersetzung begann bereits am Vorabend der Konferenz, an dem die Vorführung des Spielfilms „Die Welle“ von Dennis Gansel stattfand. Die Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit basiert, erzählt von einem Lehrer, der seinen Schülern in einem Experiment zeigen möchte, wie eine Diktatur entstehen kann. Im Anschluss an den Film gab es die Möglichkeit mit dem Regisseur ins Gespräch zu kommen, bei dem deutlich wurde, wie schnell die Grenze zum Fanatismus überschritten werden kann und dass der Mensch, trotz der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, nicht gegen das Aufkommen von totalitären Strukturen gefeit ist. Die Frage, wie man einer solchen Gefahr entgegenwirken kann, wurde zu einer der Leitfragen der Konferenz.
Am 16. Juni stand aber vor allem die Auseinandersetzung mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert im Fokus. Insbesondere wurde der Erste Weltkrieg als die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts analysiert und diskutiert. An dieser Stelle kam die Frage nach Verantwortung und dem Auslöser für den Krieg auf. Diese könne man bei der Führungselite der damaligen Jahre suchen, die aufgrund von falschen Voraussetzungen falsche Entscheidungen getroffen hat, ohne sich über die Konsequenzen ihres Handelns im Klaren zu sein. Ebenso wurde über den Aspekt des „Dämonischen“ und der „Dämonisierung der Gegner“ gesprochen, der im Besonderen zu Beginn des 20. Jahrhundert den öffentlichen Diskurs prägte. Solch’ eine aggressive Rhetorik birgt auch heute die Gefahr in sich, unterbewusst negative Stimmung entstehen zu lassen, die sich sowohl in der Bevölkerung, als auch in den Köpfen der Politiker niederschlägt und zum unreflektierten Handeln der Entscheidungsträger führen kann.
Am 17 Juni, dem zweiten Tag der Konferenz, lag der Fokus auf der Frage, wie eine Wiederholung der schrecklichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts vermieden werden kann. Ein wichtiges Stichwort dabei war die Achtung der Menschenwürde, die im zwanzigsten Jahrhunderts auf brachiale Art missachtet worden ist. Diese müsse als das herrschende Prinzip für verantwortungsvolles Handeln etabliert werden. Um dies zu erreichen, seien Institutionen von großer Bedeutung. Am Beispiel des Aufbaus des Rechtsstaates in Preußen wurde gezeigt, welchen Wert unabhängige Rechtsprechung in einer demokratischen Gesellschaft hat.
Ein Highlight des Tages war die Lesung des russischen Beststeller-Autors Boris Akunin, der aus seinem Roman „Die schwarze Stadt“ las. Die Handlung des Romans findet unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg statt. Nur bietet Akunin dem Leser eine alternative Geschichte an, denn der Protagonist verhindert den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und wirft somit die Frage auf „was wäre wenn“ und welche Bedeutung die Handlung eines Individuums für das Weltgeschehen haben kann.
Den Abschluss der Konferenz am 17. Juni bildete die öffentliche Podiumsdiskussion unter dem Thema „1914, 2014 – wie geht es weiter in Europa?“, bei der nicht nur die Ergebnisse der zwei Tage vorgestellt wurden, sondern noch einmal die wichtige Frage diskutiert werden konnte, wie wichtig die Lehre aus der Geschichte für die Gegenwart sein kann.
Text: Helena Günter
Bilder: KD Busch, © Deutsch-Russisches Forum e.V.