Potsdamer Begegnungen in Moskau, 12.-13. Oktober 2015
40 Jahre Helsinki-Schlussakte und die Neugestaltung Europas. Brauchen wir Helsinki-2?
Die Ukraine-Krise hat in erschreckender Weise die unterschiedlichen Sichtweisen in Russland und im Westen auf die europäische Sicherheitsordnung offenbart. Russland akzeptiert keine europäische Architektur, die ausschließlich auf den beiden Säulen NATO und EU aufgebaut ist. Der Westen wiederum akzeptiert in Europa keine neuen Einflusszonen und wirft Russland vor, diese im postsowjetischen Raum zu errichten.
Die Positionen sind festgefahren und können nur durch einen neuen OSZE-Prozess aufgeweicht werden, der, 40 Jahre nach der KSZE-Schlussakte, zu einer neuen gesamteuropäischen Einigung führen muss. Gelingt es, den Prozess Helsinki-2 ins Leben zu rufen, wird die Idee eines gemeinsamen Freihandels von Lissabon bis Wladiwostok zur Realität. Heutige Probleme, wie die Frage, ob die Ukraine zu West- oder Osteuropa gehört, werden in einem solchen Raum obsolet.
Der alte KSZE-Prozess wurde entlang von drei Richtlinien (Körben) geführt. Leider wurde die sicherheitspolitische und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen West- und Osteuropa nach dem Zerfall des Warschauer Paktes innerhalb der umbenannten OSZE aufs Eis gelegt. Der Westen wollte in der neuen OSZE nur Korb-3 – Menschenrechte und Meinungsfreiheit – behalten. In Russland und in anderen postsowjetischen Staaten wurde die ausschließliche Fokussierung auf Korb-3 als westliche Schulmeisterei in Sachen Demokratie aufgefasst und verworfen.
Der Helsinki-2-Prozess wird nur dann funktionieren, wenn alle OSZE-Länder zu einer ebenbürtigen Kooperation in allen drei Körben zurückfinden. Im Rahmen der sicherheitspolitischen Kooperation könnte eine Alternative zu dem seit Jahren eingeschlafenen NATO-Russland-Rat entstehen. Die wirtschaftliche Kooperation könnte einen Freihandel zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion anstoßen helfen.
Korb-3 bleibt dennoch der Entscheidende für das Gelingen von Helsinki-2, denn hier geht es um die Begründung des Fundamentes, auf dem künftig die unterschiedlichen zivilisatorischen Aspekte von West-, Mittelost-, Osteuropa, beziehungsweise Eurasien in Einklang zu bringen sind.