Am 15. Februar trafen ich zum einen Bundeskanzler Scholz und Präsident Putin zu hochrangigen Konsultationen. Fast parallel dazu fand das erste Moskauer Gespräch in diesem Jahr statt. Beide Treffen beziehen sich auf die Möglichkeiten, die unsere Regierungen generieren sollten, um eine weitere Entfremdung zu stoppen. Derzeit ist Deeskalation gefragt. Welche Möglichkeiten ergeben sich und welche Pflichten bestehen dabei für die Wirtschaft?
Mit einem einleitenden Grußwort eröffnete Martin Hoffmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutsch-Russischen Forums e.V., live zugeschaltet aus Berlin das Moskauer Gespräch. Zum Thema „Neue Impulse, Chancen und Herausforderungen für die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen im Jahr 2022“ diskutierten die Expert*Innen am Abend im hybriden Format. Die Diskussionsrunde wurde im Russischen Haus mit 50 Anwesenden vor Ort in Moskau ausgetragen sowie online in die deutsch-russische Community ausgestrahlt.
Olga Martens, Verlegerin der „Moskauer Deutschen Zeitung“, moderierte die Expertenrunde mit Dr. Stanislav Tkachenko, Professor am Institut für Europäische Studien (St. Petersburg), Dr. Maria Gratschewa, leitende Mitarbeiterin am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (Moskau), Mirco Nowak, CEO der LUNO-Group, Vorsitzender der RDHG Russisch-Deutsche Handelsgilde in Hamburg e.V. (Hamburg) und Dr. Frank Schauff, Partner, Berlin Global Advisors (Berlin).
Die Experten Dr. Stanislav Tkachenko, Maria Gratschewa, Mirco Nowak und Dr. Frank Schauff diskutierten über die Aussichten für die Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Russland und Deutschland. Wichtig sei dabei das Brücken bauen. Die wirtschaftlichen Beziehungen würden trotz der derzeitigen politischen Lage weitergeführt, so Mirco Nowak von der Russisch-Deutschen Handelsgilde. Gleichzeitig zeigte Prof. Tkachenko, Professor am Institut für Europäische Studien, Felder auf, die es verstärkt zu bearbeiten gilt. Als Beispiel nannte er Rohstoffexploration und -export, Chipherstellung und Entwicklung der Nutzung von grünem Wasserstoff.
Dr. Schauff wies auf die negativen Auswirkungen der politischen Rahmenbedingungen hin. So liegt das wirtschaftliche Potential weit hinter den Erwartungen zurück. Nowak fokussierte für eine stete Annäherung zudem die gängigen Plattformen der Auslandshandelskammer sowie des Deutsch-Russischen Forums e.V. Er betonte, dass ebenso Messen Russland mit deutscher und internationaler Beteiligung eine gute Möglichkeit darstellten, persönlich miteinander ins Gespräch zu kommen.
Maria Gratschewa (IMEMO RAN) betonte, für deutsche Unternehmer sei aus russischer Sicht vor allem die Rohstoffindustrie interessant, dennoch würde man sich eher über die Zustände in Russland beschweren und weniger über neue Handlungsfelder zwischen Deutschland und Russland diskutiert werde. Gleichzeitig, so Gratschewa, hofften 74 % deutscher Unternehmen auf eine baldige Verbesserung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen. Nowak war in diesem Punkt positiver gestimmt. Denn das russische Expocentre sei sehr bemüht, weitere Wirtschaftszweige für eine Zusammenarbeit zu aktivieren, wie zum Beipsiel Autoindustrie und Handel. Man müsse den persönlichen Dialog und das Gespräch weiter forcieren.
Dr. Frank Schauff (Berlin Global Advisors) sprach nach Rückfrage über den Beitrag dem die ehemalige Bundeskanzlerin zur Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland leistete. Abschließend ging er darauf ein, welche Erwartungen an die neue Bundesregierung gestellt werden bezüglich einer verstärkten Zusammenarbeit auf bilateraler Ebene.
Die Experten stellten insgesamt eine angespannte Veränderung der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen fest. Potential würde den bereits existierenden Verhandlungsplattformen für eine engere Zusammenarbeit beigemessen.